Stimmen zur Pflege zur Bundestagswahl: Heike Baehrens, MdB SPD

Ausbildung und Beruf

• Seit 2020 gilt die generalistische Pflegeausbildung in Baden-Württemberg. Welche Erfahrungen machen Sie mit den ersten Jahrgängen? Was läuft gut, wo müsste man noch nacharbeiten?
Es war ein großer Erfolg für uns als SPD, dass wir das Schulgeld für die Pflegeausbildung abgeschafft und für gute Ausbildungsvergütung gesorgt haben. Auch die Umstellung auf die Generealistik war wichtig, um die Pflege zu einem modernen Ausbildungsberuf zu machen, der verschiedene Entwicklungswege und Karriereoptionen ermöglicht.
Noch haben wir in Baden-Württemberg zu geringe Ausbildungszahlen. Es werden auch nicht genügend Kooperationsverträge geschlossen, um die Zusammenarbeit der Pflegeschule, des Trägers der praktischen Ausbildung sowie weiteren an der Ausbildung beteiligten Einrichtungen zu gewährleisten. Um diese Kooperationsverträge in ausreichendem Maße ins Laufen zu bringen, sind nun vor allem die Landesregierung und die Landkreise gefragt. In ihrer Verantwortung liegt es, alles Nähere zu den Kooperationsverträgen zu regeln.

• Wie schätzen Sie die Entwicklung des Arbeitsmarktes ein? Zeigt die „Konzertierte Aktion Pflege“ der Bundesregierung Wirkung?
Trotz der Corona-Pandemie haben im letzten Jahr im Bundesdurchschnitt mehr Menschen eine Pflegeausbildung begonnen als zuvor. Damit ist das erste Ausbildungsjahr der neuen generalistischen Pflegeausbildung trotz Coronakrise gut gestartet. In Baden-Württemberg ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr jedoch leider etwas gesunken. Das muss besser werden! Die Aufgabe, genug Pflegepersonal zu gewinnen, bleibt mit die größte in der Pflege. Politik und Betreiber von Einrichtungen und Diensten müssen sich weiterhin gemeinsam dafür einsetzen, viele Menschen für die wichtigen Berufe rund um die Pflege zu gewinnen und sie auch dort zu halten. Dass wir tarifliche Bezahlung ab 2021 zur Voraussetzung von Versorgungsverträgen mit der Pflegeversicherung gemacht haben, war ein wichtiger Schritt, der den Beruf aufwertet und sicher auch positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben wird. Ein weiterer essentieller Baustein sind die Arbeitsbedingungen. Von zuverlässigen Schichten über betriebliche Gesundheitsvorsorge bis hin zu Entlastung von Dokumentation und Bürokratie: es gibt genug Potential um die Pflege zu einem immer attraktiveren Berufsfeld zu machen. Die Konzertierte Aktion Pflege hat mehrere hundert Maßnahmen herausgearbeitet, die weiter Schritt um Schritt von allen Beteiligten umzusetzen sind.

• Für welche Rahmenbedingungen im Arbeitsleben weiblicher Pflegefachkräfte möchten Sie sich einsetzen?
Die meisten Frauen in Pflegeberufen arbeiten in Teilzeit, weil sie Familie und Beruf sonst nicht unter einen Hut bekommen. Dadurch nehmen sie aber auch geringere Einkommen und später geringere Renten in Kauf. Um Pflege und Beruf besser vereinbar zu machen, brauchen wir zuverlässige Schichtplanung und genug Freizeitausgleich. Ich plädiere für eine 35-Stunden-Woche in der Pflege, die mehr Menschen eine Vollzeitbeschäftigung ermöglichen würde. Das ist nicht nur notwendig, um den Personalmangel zu bekämpfen, sondern auch, um Armut von Frauen, gerade im Alter, zu verhindern. Pflege, sowie andere soziale Berufe auch, verdienen außerdem ordentliche tarifliche Bezahlung einschließlich einer ergänzenden Altersvorsorge.

Pflege der Zukunft

• Wie möchten Sie die ambulante Pflege unterstützen?
Als SPD haben wir uns in den letzten Jahren stets für die Unterstützung der ambulanten Pflege stark gemacht. So konnten wir die Tarifbezahlung auch für die Häusliche Krankenpflege und Hauswirtschaft durchsetzen und haben für eine bessere Vergütung der Wegezeiten der ambulanten Dienste gesorgt. Vor allem in ländlichen Gebieten ist eine angemessene Vergütung der längeren Fahrtwege unbedingt erforderlich. Wir wollen, dass auch im ambulanten Bereich die Bürokratie auf das Notwendige reduziert wird, damit den Pflegekräften vor Ort mehr Zeit für ihre eigentliche Aufgabe bleibt. Hier kann die Digitalisierung einen wertvollen Beitrag leisten. Wir wollen sicherstellen, dass digitale Anwendungen die ambulante Pflege bestmöglich unterstützt und entlastet, in der Kommunikation, bei der Sicherheit und im Bereich der Vernetzung mit anderen Professionen rund um die Pflege.

• Wie möchten Sie die stationäre Pflege ausbauen?
Die stationäre Pflege braucht vor allem mehr Personal. Das haben wir mit dem Einstieg in eine bundesweite bedarfsgerechte Personalbemessung eingeleitet – jetzt müssen wir die Umsetzung konsequent fortführen und wo immer nötig anpassen. Um die Kosten für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen dennoch nicht weiter ansteigen zu lassen, brauchen wir eine echte Deckelung der pflegebedingten Kosten und eine solidarische Finanzierung der Pflege durch eine Pflegebürgerversicherung.
Die stationäre Pflege braucht aber auch eine an den Bedürfnissen der Menschen und den jeweiligen Nachbarschaften ausgerichtete Planung und Gestaltung. Umsichtige Quartiersentwicklung, die Entwicklung neuer Wohnformen und Ideen für generationenübergreifendes Zusammenleben lassen sich am besten vor Ort umsetzen. Auch deshalb ist es unabdingbar, dass Länder und Kommunen wieder ihrer finanziellen und planerischen Verantwortung nachkommen und ihre Handlungsspielräume zur Pflegegestaltung nutzen. Pflege ist vor allem öffentliche Daseinsvorsorge und sollte dem Gemeinwohl dienen. Deshalb müssen wir übermäßiges Renditestreben in der Pflege begrenzen und dafür sorgen, dass Versichertengelder, Steuermittel und Eigenanteile für Pflegequalität genutzt wird. Gewinn dürfen nicht an anonyme Investor:innen abfließen.

• Wie möchten Sie die häusliche Pflege und notwendige Unterstützungsdienstleistungen weiterentwickeln?
Als SPD wollen wir Pflegebedürftige dabei unterstützen, solange wie möglich zuhause leben zu können, und pflegende Angehörige noch besser entlasten. Deswegen haben wir uns stets für die Ausweitung und regelmäßige Erhöhung von Leistungen der Pflegeversicherung stark gemacht. Gleichzeitig haben wir ein jährliches Entlastungsbudget gefordert, das die Pflegeversicherungsleistungen der Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege und den Entlastungsbetrag bündelt und flexibel und individuell in Anspruch genommen werden kann. Beide Forderungen waren mit dem derzeitigen Koalitionspartner leider nicht umsetzbar. Unsere Vorstellungen zur Entlastung pflegender Angehörige gehen jedoch noch weiter. Wir wollen Beratungsangebote verbessern, die Familienpflegezeit durch einen 15-monatigen Lohnersatz ausbauen und die Sorgezeit rentenrechtlich aufwerten.

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Vanessa Lang
vanessa.lang@elke-wue.de

Vanessa Lang ist Referentin Kirche und Gesellschaft bei EFW. Sie beschäftigt sich nicht nur bei den EFW leidenschaftlich gerne mit dem Thema Nachhaltigkeit, sondern auch zuhause. Das neuste Projekt: ein eigener Permakultur-Garten.

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