01 Mrz Der Kindergarten macht jetzt früher zu
Meine Kinder- und Lebensplanung, soweit man die grobe Vorstellung und die Realität, dass „Kinder“ und „Planung“ nicht zusammenpassen, berücksichtigt, sah immer so aus, dass ich weiterhin arbeiten gehen kann, sobald die Kinder in Krippe und Kindergarten gehen.
Ich schreibe in der Vergangenheitsform, denn in den letzten Wochen und Monaten hat sich viel verändert: Für mich und meinen Partner, für meine Kinder sowie für alle betroffenen Eltern. Meist sind es die Frauen, welche die Konsequenzen tragen müssen.
Vielleicht haben Sie es am Rand wahrgenommen oder in der Zeitung gelesen, dass die Stadt Tübingen die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen kürzen muss? Das betrifft aber eben nicht nur Tübingen, genau das gleiche ist in meinem Heimatort Schorndorf beschlossen worden, in der Kita „Volltreffer“ in einem Nachbarort wird der Personalnotstand untragbar, die Konsequenz: die „Glücklichen“, die ihren Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr tatsächlich erfüllt bekommen, verfügen plötzlich nur noch über Zeitfenster, die höchstens eine Teilzeitarbeit zulassen.
Was ist passiert? In Schorndorfs Kindergärten, die bisher damit warben, dass Betreuung bis 17 Uhr möglich sei, wurden vorübergehend die Betreuungszeiten aufgrund Personalmangels gekürzt. Der Protest der Eltern: einige holten ihre Kinder systematisch „zu spät“ ab.
Diese Instrumentalisierung der Kinder ist eine Katastrophe und man möchte sagen, „geht ja gar nicht“, aber:
Sie zeigt die große Verzweiflung und Ratlosigkeit der betroffenen Eltern. Was sollen sie jetzt machen? Sie haben Jobs, in denen sie eben nicht um 15 Uhr Schluss machen können, sie haben Kinder, die sie so lange gut betreut wissen wollen und plötzlich ist die Ansage, nun ja, wir können nicht mehr bis 17:00 Uhr anbieten, ab dem kommenden Kindergartenjahr wird dauerhaft auf 15:30 Uhr reduziert. Damit fehlen jeden Tag eineinhalb Stunden Betreuung. Ich habe einen gut bezahlten, recht flexibel gestaltbaren Job, mein Mann unterstützt mich partnerschaftlich und meine Eltern können notfalls immer wieder einspringen. Wir bekommen privat geregelt, was Politik versäumt und auf uns Eltern abgeschoben hat.
Aber für eine dringend gebrauchte Pflegekraft, die ohnehin ständig für ausfallendes Personal einspringen muss, weil es einen großen Personalnotstand gibt, sind diese fehlenden eineinhalb Stunden jeden Tag nicht kompensierbar. Es gibt vielleicht keine Großeltern, der Ehemann arbeitet von morgens um sieben bis abends um sieben, Fahrtzeiten eingerechnet, also was nun? Weiter reduzieren, was eine Illusion ist, denn sie macht ohnehin ständig Überstunden? Ständig im Stress hin- und hereilen, um wenigstens innerhalb der gegebenen Zeitspanne so viel wie möglich zu arbeiten, dabei aber als gestresst Mutter die Bedürfnisse der Kinder nicht mehr wahrnehmen können? Die Kinder mit auf die Arbeit nehmen und das Kindeswohl gefährden?
Es gibt hier keine Lösung. Viele große Firmen und Betriebe haben heute eigene Kinderbetreuungseinrichtungen. Das hat seinen Grund, denn ohne dieses Angebot könnten die Firmen nicht mehr die notwenigen Fachkräfte und nötigen Vollzeitarbeitskräfte finden.
Damit bleiben aber all diejenigen Eltern und auch Arbeitgeber im Regen stehen, die kein solches Angebot nutzen oder machen können. An vielen Stellen haben Wirtschaftsunternehmen selbst längst begriffen, was Politik bis heute ignoriert: Ohne einen funktionierenden Care-Sektor können Wirtschaftsunternehmen nicht prosperieren.
Das hier ist nur der Ruf einer Mutter. Der Ruf nach Unterstützung für alle Eltern und Alleinerziehende und deren Kinder, der Ruf nach einer Neukonzentration bei der Förderung von Wirtschaft auf den unverzichtbaren Sektor der Care-Arbeit, der Ruf nach dem Verstehen, dass funktionierende Betreuung Teil der Lösung des Fachkräftemangels ist.
Eine massive und schnelle Verbesserung in allen Care muss heute vorbereitet werden, mit allen Mitteln und allen Playern gemeinsam. Wenn das nicht passiert, dann glaube ich – und wir sehen es aktuell bereits – dass nicht nur die Eltern samt betroffenen Kindern, sondern langfristig auch unsere Wirtschaft am Krückstock gehen wird.
Foto: pixabay, public domain
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