01 Okt Hannah Schwier spricht mit uns über ihre Brustkrebserkrankung
Liebe Hannah, vielen Dank, dass Du zu einem Interview bereit bist. Im Oktober ist Brustkrebsmonat und wir als Evangelische Frauen wollen uns mit dem Thema näher beschäftigen. Magst Du am Anfang erzählen, wie Deine Geschichte ist? Du bist selbst an Brustkrebs erkrankt. Wann ging die Krankheit los und wie geht es Dir heute?
Hallo Janina, vielen Dank für die Möglichkeit bei euch meine Geschichte erzählen zu dürfen.
Im Januar 2019 habe ich die Diagnose Brustkrebs im Alter von 31 Jahren erhalten. Diese Nachricht hat mich in dem Moment geschockt. Nach der Diagnose habe ich mich in Absprache mit meinen Onkologen zu einer Kryokonservierung der Eizellen entschlossen, da diese durch eine Chemotherapie zerstört werden. Nach diesem Schritt begann für mich eine sechsmonatige Chemotherapie mit unterschiedlichen Infusionsmedikamenten. Diese Zeit war für mich sehr schwer, da die Chemotherapie viele Nebenwirkungen beinhaltet und meine persönliche Belastbarkeit stark dezimiert hat. Im Anschluss an die Chemotherapie bekam ich Antikörperinfusionen, wurde operiert und habe eine Strahlentherapie erhalten. Danach durfte ich in die erste onkologische Reha (Anschlussheilbehandlung), um mich wieder aufzubauen. Seit Februar 2020 arbeite ich nun wieder bei der Evangelischen Jugend Stuttgart und erhalte bis diesen Oktober noch alle drei Wochen Infusionen. Zeitnah wieder zu arbeiten war für mich persönlich der richtige Weg, auch wenn es viel Organisation und Planung benötigt, um berufliche, medizinische und persönliche Termine gut zu koordinieren. Aktuell befinde ich mich in meiner zweiten Reha, die mir sehr gut tut und mich dabei unterstützt fitter zu werden und zudem einen Schutzraum für die Krankheitsbewältigung bietet. Insgesamt geht es mir zur Zeit gut und mir ist es möglich meine Nebenwirkungen mit Medikamenten, Sport und Yoga auszugleichen, jedoch stellt die Situation aufgrund von Covid-19 für mich als Risikopatientin eine große Herausforderung dar. Am meisten freue ich mich auf das Ende der Infusionstherapie im Oktober.
Du hast Dich entschieden, Deine Geschichte auch öffentlich zu machen, zum Beispiel auf instagram. Was hat Dich dazu bewegt? Was ist Deine Botschaft?
Jede 8. Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben an Brustkrebs erkranken- das ist eine hohe Zahl an Betroffenen. Auch die Krebserkrankungen bei jungen Erwachsenen nehmen stark zu, deshalb war es mir wichtig das Thema (Brust)krebs im öffentlichen Raum zu thematisieren und zu enttabuisieren. Auf meiner Instagramseite lebensliebeundkrebs möchte ich betroffenen Frauen Mut machen, über den Therapieverlauf informieren und zeigen, dass man gemeinsam durch diese schwere und besondere Zeit kommen kann, mit allen Hoch und Tiefs, die dazugehören. Zudem gibt es mittlerweile im social media Bereich ein großes Netzwerk zum Thema Krebs, welches stetig wächst und sich gegenseitig inspiriert und unterstützt.
Wenn Du zurückschaust auf die Zeit, was hat Dir Kraft oder Halt gegeben? Was hättest Du Dir anders gewünscht?
Familie, Freunde und Kollegen waren und sind in der Therapiezeit meine größte Unterstützung- ohne sie hätte ich diese herausfordernde Zeit nicht so gut durchgestanden. Zudem war und bin ich Teil von Selbsthilfe-Gruppen wie die des think pink clubs oder Junge Erwachsene mit Krebs. Im Austausch mit Gleichgesinnten zu sein, hilft mir sehr. Auch die verschiedenen Therapeuten und Ärzte, die einen auf unterschiedlichen Abschnitten in der Therapie begleiten, haben mich sehr unterstützt. Der Glaube an Gott, der sich aufgrund der Krankheit verändert hat, gab und gibt mir ein großes Vertrauen und eine Sicherheit, auf die ich bauen und mich verlassen kann. Ich kann mir sicher sein, dass jedes tiefe und schwarze Loch irgendwann zu Ende geht und auszuhalten ist- danach wird es wieder besser.
Rückblickend würde ich mir wünschen, dass sich die Onkologie stärker auf die Bedürfnisse von erkrankten jungen Erwachsenen spezialisiert, da sich diese von älteren Betroffenen unterscheiden.
Von meinem Umfeld wünsche ich mir Rücksichtnahme in Bezug auf die Leistungsfähigkeit und eine offene Kommunikation. Obwohl die Therapie zeitnah abgeschlossen ist, bestehen die Nebenwirkungen wie fehlende Belastbarkeit und Konzentrationsschwäche über lange Zeit fort. Für viele sind diese Einschränkungen nicht ersichtlich und erwarten aus diesem Grund, dass Leistungsvermögen von vor der Erkrankung.
Kannst Du sagen, ob die Krankheit Deine Sicht auf das Leben verändert hat?
Durch die Krankheit hat sich so gut wie alles verändert, da eine Krebserkrankung alle Lebensbereiche tangiert. Die Leichtigkeit des Lebens und das Gefühl das vieles möglich ist, welches man als junger Erwachsener hat, ist mir abhanden gekommen. Ich sehe vieles realistischer und spreche Dinge direkt an. Dafür habe ich gelernt mich an kleinen Dingen zu erfreuen und liebe es in der Natur unterwegs zu sein. Durch die Krankheit und die lange Therapiezeit habe ich lernen dürfen achtsam mit mir umzugehen und Sachen zu tun, die mir gut tun. Auch sind die Beziehungen zu Freunden und zur Familie intensiver geworden, was wirklich toll ist. Kleine Probleme, die im Alltag auftreten, kann ich mittlerweile viel gelassener betrachten und öfter unaufgeregt damit umgehen.
Und wenn Du auf die Politik oder Gesellschaft schaust, was würdest Du Dir wünschen, was sollte sich ändern?
Ich würde mir sehr wünschen, dass das Thema Krebs mehr sachlich-informativ und weniger angstbesetzt besprochen und diskutiert wird. Ein großer Teil der Gesellschaft ist von dieser Krankheit betroffen, jedoch wird diese an vielen Stellen tabuisiert. Politisch auf Bundesebene tritt die Stiftung Junge Erwachsene mit Krebs für die Bedürfnisse junger Betroffener ein. Aktuell stehen die Themen Kostenübernahme von Kryokonservierung durch die Krankenkassen und die finanzielle Absicherung von erkrankten jungen Erwachsenen im Fokus. Beide Themenbereiche müssen priorisiert und zeitnah im Sinne der Betroffenen gelöst werden. Doch auch auf persönlicher Ebene kann jede und jeder Einzelne aktiv werden- regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen durchführen lassen, sich regelmäßig selbst abtasten und das Nutzen des Angebots von z. B. Discovering Hands helfen mögliche Erkrankungen frühzeitig zu erkennen.
Wir wünschen Dir persönlich auf jeden Fall alles Liebe und Gute und vielen Dank für das Teilen Deiner Geschichte!
Hannah Schwier, 33 Jahre, seit 2018 Schulsozialarbeiterin bei der Evangelischen Jugend Stuttgart, wohnhaft in Stuttgart, von Februar 2019 bis Oktober 2020 in Krebstherapie.
Bilder: Privat / Hannah Schwier
Links:
Krebs allgemein:
Krebsinformationsdienst
https://www.krebsinformationsdienst.de/
Krebsberatungsstelle Stuttgart
https://www.kbs-stuttgart.de/startseite/
Deutsche Krebshilfe
Deutsche Krebsgesellschaft
https://www.krebsgesellschaft.de/
Brustkrebs:
Brustkrebs
https://brustkrebsdeutschland.de/
Mamma MIA – Das Krebsmagazin
Selbsthilfegruppen:
Frauenselbsthilfe Krebs
https://www.frauenselbsthilfe.de/
Krebsverband Baden-Württemberg
https://www.krebsverband-bw.de/
Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs
https://junge-erwachsene-mit-krebs.de/
Cancer Unites
Brustkrebs – Gemeinsam für das Leben
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