04 Apr Mein Name ist die Weiblichkeit – Beitrag von Poetry-Slammerin Hosnija Mehr beim Interreligiösen Frauenmahl
Hosnija Mehr hat beim Interreligiösen Frauenmahl am 31. März im Hospitalhof Stuttgart diesen wunderbaren Text vorgetragen. Wir freuen uns sehr, dass sie uns den Text hier zur Verfügung stellt. Vielen Dank für diesen tollen Beitrag!
Demokraten und Diktatoren
Künstler und Soziologen
Texte und Kompositionen
Zeilen über Noten
Gesetze und Gebote
Haben sich schon immer für mich interessiert
Wollten wissen wie ich, die Weiblichkeit höchstpersönlich, funktioniere
Versuchten mir zu erklären, wer ich bin
Und bemühten sich darum mein Wesen zu definieren
Sie zeichneten meine Konturen nach
und setzen mich in einen Rahmen
Sie deckten meine Narben und machten mich zur Marke
Jeder sah in mir meinen Körper,
aber niemand kannte meinen Namen
und alle dachten, ich hätte sowieso nichts zu sagen
Denn ich bin doch nur eine Frau
Ein Symbol in jeder Werbung, egal wohin ich schau
Symmetrisch, proportional genormt, nicht nahezu sondern grenzenlos perfekt
So lernte ich mich zu formen
Mein Gewicht war Produkt meiner Kalkulation
Und mein Körper Ergebnis meiner Kontrollen
Mein Wille war dazu gezwungen einem anderen zu folgen
Selbst wenn ich sprach, wollten sie meiner Stimme nicht lauschen
Und über die Jahre hinweg, schien manchmal auch ich ihren Vorurteilen zu glauben
Sie sagten, ich sei doch nur eine Frau
Ein weiblicher Körper mit beschränktem Inhalt
Mein Herz – das bestehe aus Schwäche
Und Mein Gehirn – aus Emotionen
Mein Vernunftsvermögen habe man mir zur Geburt gestohlen
Ich könne nichts Ernsthaftes leisten
Deshalb verdiene ich auch nicht soviel
Professionalität sei nicht meine Stärke
Und Durchsetzungsvermögen fehle mir auch
Und wenn ich wütend werde, sei es doch nur die menstruierende Gebärmutter in meinem Bauch
Jahrhundert für Jahrhundert bestimmte ich nicht selbst mein Leben als Frau
Und heute?
Heute scheint meine Stimme ihren Lärm zu übertönen
Heute beginnt die Macht des Patriarchats langsam zu bröckeln und wird sich vielleicht eines Tages komplett auflösen
Doch bis dahin, werde ich der Welt selbst erzählen wer ich bin:
Mein Name ist die Weiblichkeit
Und mein Gesetz ist auch Deines
Mein Wesen ist nicht anders
Doch unser Wert scheint nicht der Gleiche
Die Geburt hat uns zu Mann und Frau gemacht
Aber nicht stärker und auch nicht schwächer
Mein Körper sieht vielleicht anders aus, aber das macht ihn noch lange nicht schlechter
Und auch wenn ich durchschnittlich weniger Muskelmasse besitze, bin ich nicht zart besaitet
Nein an der Belastbarkeit meiner Haut und Hülle habe ich keinen Zweifel
Und ja mein Körper ist durchaus fähig Kinder zu gebären
Aber es macht trotzdem keinen Sinn mir deshalb meine Rechte zu verwehren
Ich bin wütend
Ich bin wütend, weil ich mich frage wer die Menschen zu solch einem Irrsinn nur verleitet
Wer solch widerwärtige Gerüchte über mein Geschlecht nur verbreitet
Schau mich an
Schau mich an und erkenne, dass jedes Luftmolekül, das ich ausatme, Weiblichkeit versprüht
Dass ich es bin, die entscheidet, wie viel oder wie wenig Kleidung meine Haut berührt
Dass Weiblichkeit nicht ist, was wir tragen, woran wir glauben oder wie wir aussehen
Weiblich bin ich und jedes Wesen hier draußen, das sich Frau nennt
Weiblich ist kein Verhalten, keine Klamotte und kein Haarschnitt
Weiblichkeit ist ein Geschlecht, eine Identität, aber mehr dann wieder auch nicht
Die Weiblichkeit, sie ist mein Name
Und ihr Gesetz auch Deines
Ihr Wesen ist nicht anders und unser aller Wert ist doch der Gleiche!
Hosnijah Mehr, Poetry-Slammerin “I,Slam Stuttgart” beim Interreligiösen Frauenmahl im Hospitalhof Stuttgart am 31. März 2019
EFW Blog | Geballte Lernerfahrung – Mein persönlicher Blick auf das 2. Interreligiöse Frauenmahl
Veröffentlicht um 13:53h, 10 April[…] aus allen Vorträgen für mich wertvolle Impulse mit. Ganz besonders beeindruckt mich die schlichte Performance von Hosnijah Mehr, die so mitreißend und unfassbar klug eine Ode an die Weiblichkeit formuliert und vorträgt. Allen […]