Der Tod klopft an, gnadenlos.

Wie ich erlebe, dass ich zwar Tochter und Schwiegertochter bin, aber kein Kind mehr, das die Eltern um Hilfe bittet. Ich bin diejenige, die jetzt beistehen muss.

Und plötzlich steht er vor der Tür: Der Tod. Unerwartet, aus dem Nichts kommend. Ein Anruf von der Schwiegermutter: Ich kann Deinen Mann nicht erreichen. Dann sage ich es eben Dir. Ich habe Krebs, unheilbar, im Endstadium.

Völlig verdattert nehme ich diese Information auf, ohne sie wirklich zu begreifen. Ich merke dennoch schnell, wie ich reagieren kann. Vielleicht steuert mich hier meine Lebenserfahrung, vielleicht die Intuition und Empathie. Vielleicht der schnelle Gedanke, dass ein Leben irgendwann zu Ende geht. Wie dem auch sei, ich frage nach, bekomme Antworten, ich höre zu. Und rufe meinen Mann an, um diesem wiederum schonend, wie die Schwiegermama bittet, die Neuigkeiten beizubringen. Himmel, wie geht das: schonend?

Mein Schwiegervater starb vor einigen Jahren nach langer Krankheit. Er hätte das Erwachsenenalter nach Prognose der damaligen Ärzte gar nicht erreichen sollen. Mit beinahe 80 durfte er sterben, er hatte ein gutes Leben, sagte er.

Und jetzt das: Meine stets fitte, energiegeladene, sportliche, reisefreudige und bio-orientierte Schwiegermutter wird sterben, vermutlich sehr schnell und unter großen Schmerzen, die man hoffentlich mildern wird.

Mitten in unseren Alltagswahnsinn trifft die Erkenntnis: Da geht etwas zu Ende, ganz bald. Ein wesentlicher Teil meines Lebens und des kurzen Lebens meiner Kinder. Ich habe Angst: Was wird von mir erwartet? Kann ich das leisten? Wie geht es meinem Mann? Und: Was will die Oma selbst überhaupt oder auch nicht?

Ganz ehrlich: Ich kann das alles jetzt überhaupt nicht gebrauchen. Zumal wir derzeit noch nicht wissen, was auf uns, was auf die Oma zukommt. Alles ist diffus. Ich spüre sogar Wut. Wie kann unser guter Gott das zulassen? Ich stecke im Jobwechsel, will gerade mein eigenes Leben zurückerobern. Ich habe 1 Sohn im Abitur und 1 im ersten Ausbildungsjahr, den letzten in der Schule. Unser Kosmos ist schon überfüllt. Ich schäme mich dieser Gedanken und Gefühle.

So klar wie sie lebt, wird sie auch gehen, meine Schweigermama. Ich hingegen bin eher zart besaitet und drehe manche Schnörkel, bevor ich zum Punkt komme. Konfrontiert mit Themen wie Hospiz, lebensverlängernden Maßnahmen, Urne, Hausverkauf und Testament u.v.a.m. brauche ich eine Pause zum Atemholen. Eine Pause für Gespräche mit meinem Mann, für meine Fassungslosigkeit.

Die Kinder fahren ihre Antennen aus, erfassen sofort, dass Bedrohliches über uns liegt. Wir Eltern sind uns einig, dass sie wissen sollen, was passiert ist und passieren wird. Mein jüngster Sohn sagt sofort, er wolle den Tod seiner Oma nicht mitbekommen, nur so wie beim Opa – also eher aus der Ferne. Der Mittlere verschließt sich und sein Herz, der Große trauert schon jetzt.

Meine Schwiegermutter sagt wörtlich: Ich hätte ja doch erwartet, dass ich 85 werde. Aber ob ich nun mit 85 gehe oder mit 78, macht dann auch keinen Unterschied. Sie will ihre Dinge regeln und drängt zur Eile, so lange sie noch im klar im Kopf sei, wie sie meint.

Oh Gott, mir geht das alles viel zu schnell. Fast wünsche ich mich zurück in das kleine Mädchen von früher, das sich vertrauensvoll hinter seinem Vater vor der Welt verstecken konnte. Aber ich bin die Frau, die mitten im Leben steht, und dazu gehören Krankheit und Tod. Wir gehen auch dieses Stück als Familie gemeinsam. Das ist in Ordnung.

K Fechner
Kathrin Fechner
fressbefreit@gmail.com

Kathrin Fechner ist Rheinländerin in Stuttgart, außerdem leidenschaftliche Schreiberin zu vielen Themen, die sich insbesondere aus ihrem turbulenten Familienleben mit 3 pubertierenden Söhnen, ihrer Sportbegeisterung und ihrer persönlichen Gesundheitsbiografie ergeben. Kathrin leistet glücklich Hintergrundarbeit im kirchlichen Dienst.

Keine Kommentare

Kommentar schreiben