03 Aug Muttersein in Haft: “Dass meine Kinder gesund sind, tröstet und beruhigt mich”
Mutterschaft im Gefängnis ist eine Herausforderung für alle Beteiligten – in der Corona-Krise mehr denn je zuvor.
In unserer Interview-Reihe “Muttersein in Haft” wollen wir diejenigen Frauen zu Wort kommen lassen, deren Belange wir normalerweise nicht im Blick haben. Vielen Dank an Susanne Büttner, evangelische Theologin, Gefängnisseelsorgerin an der Frauenvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd (seit 2001) und evangelische Dekanin für den Justizvollzug in Baden-Württemberg (seit 2018). Sie hat für uns eine Mutter in Haft befragt, der wir für ihre Offenheit ebenfalls von Herzen danken. Alle Daten sind anonymisiert.
Die interviewte Mutter ist 32 Jahre alt und hat drei Kinder aus zwei Beziehungen. Die beiden älteren Kinder (ein Junge von sechs Jahren und ein Mädchen von knapp zwei Jahren) leben bei den Eltern der Inhaftierten und werden regelmäßig von ihrem jetzigen Mann und Vater der beiden jüngeren Kinder besucht. Die jüngste Tochter war bei der Inhaftierung der Mutter vier Tage alt und wurde in eine Pflegefamilie gegeben. Dieses Kind ist jetzt elf Monate alt.
Die Frau verbüßt momentan eine Strafe von zwei Jahren und drei Monaten, hofft jedoch, einen Teil davon in Therapie umgewandelt zu bekommen. Ihre jetzt elf Monate alte Tochter durfte sie nicht mit ins Mutter-Kind-Haus der Vollzugsanstalt nehmen, da sie früher einmal wegen eines BTM-Deliktes in Haft war (Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz).
Wie oft finden Kontakte zu Ihren Kindern statt? Wie gestalten Sie den Kontakt mit ihnen?
Vor der Corona-Pandemie kam die Pflegefamilie der kleinsten Tochter einmal im Monat zu Besuch, meine Eltern mit der knapp Zweijährigen zweimal im Monat. Dann spielen, erzählen und kuscheln wir miteinander. Mein Sechsjähriger kommt nicht mit. Er soll nicht kapieren, dass seine Mutter im Gefängnis ist. Er geht davon aus, dass ich noch im Krankenhaus bin mit der kleinen Schwester. Ich telefoniere täglich mit meinen bei den Eltern lebenden Kindern.
Wie fühlen Sie sich als Mutter im Strafvollzug?
Der kleinsten Tochter gegenüber empfinde ich den größten Schmerz, weil ich sie von Anfang an hergeben musste. Die beiden anderen Kinder weiß ich bei Oma/ Opa/ Papa gut aufgehoben.
Was wünschen Sie sich für die Beziehung zu Ihren Kindern?
Meine beiden älteren Kinder wachsen zweisprachig auf, deutsch und russisch. Ich würde mit meinem Sohn, der im September in die Schule kommt, gerne mehr Zweisprachigkeit trainieren, ihn beim Spracherwerb unterstützen. Die Pflegefamilie habe ich gebeten, doch russische Musik zu spielen.
Wenn Ihr Kind nicht bei Ihnen lebt: Fällt es Ihnen schwer, es bei anderen Personen zu wissen? Wie ist das Verhältnis zur „anderen“ Mutter?
Schlimm für mich ist, dass meine kleinste Tochter zu einer anderen Frau erstmals „Mama“ sagen wird. Ich habe große Angst, dass eine tiefe Distanz zu ihr entsteht. Ich glaube zwar schon, dass meine Tochter es „dort“ gut hat, fürchte mich aber vor dem Verlust der russischen Prägung, die auch ein Teil meiner Kultur ist.
Haben Sie die Beziehung zur eigenen Mutter als schwierig erlebt?
Meine Mutter war immer sehr streng, aber auch sehr fair. Ich respektiere und liebe sie über alles. Was meine Mutter sagt, hat immer Hand und Fuß gehabt. Ich befolge auch jetzt noch ihre Ratschläge, wenn immer es möglich ist.
Was gibt Ihnen Hoffnung bzw. Trost? Für sich selbst, aber auch in Beziehung zu den Kindern?
Hoffnung gibt mir der Gedanke, dass ich nicht für immer hierbleibe und irgendwann wieder gemeinsam mit meinen Kindern leben werde. Dass meine Kinder gesund sind, tröstet und beruhigt mich. Gespräche helfen mir (z.B. auch ein Seelsorgegespräch). Das tägliche Telefonieren mit meinen beiden älteren Kindern beruhigt mich.
Ich mache mir viele Gedanken über die Zukunft, was ich besser machen und wie ich meine früheren Fehler vermeiden kann. Es spornt mich an, dass ich meinen Kindern in Zukunft geben will, was sie verdient haben. Dass meine Eltern gut für die beiden Älteren sorgen und es ihnen gut geht, gibt mir Sicherheit. Am meisten Gedanken mache ich mir über die Kleine, das schmerzt am meisten, da gibt es auch keinen echten Trost.
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