31 Mrz Auch in der Krise Vollzeit berufstätig: Was mir Kraft gibt
Ich bin Vollzeit berufstätig und habe den Luxus, im technisch gut organisierten Homeoffice arbeiten und auf eine gute Teamtechnik zurückgreifen zu können. Als Vorgesetzte von ausschließlich Frauen habe ich schon im kleinen Team einen Blick auf ganz unterschiedlichsten Konstellationen, die die allgemeine Infektionslage für Frauen und ihr Arbeiten mit sich bringt. Schau ich in den direkten Familienkontext, erlebe ich Weiteres: eine Schwester, die jetzt als ü60-jährige Pflegefachkraft auf die Seuchenstation versetzt wurde. Eine Mutter, die wir in der stationären Altenhilfe nicht mehr besuchen dürfen und von der wir nicht wissen, ob sie uns danach noch wiedererkennen wird. Schwager und Schwägerin, die tagelang in Peru festgesessen sind und jetzt endlich einen Rückreiseplatz ergattern konnten.
Mein persönliches Schmunzelkabinett verblasst
Dahinter verblasst meine berufliches Schmunzelkabinett: dass mein Schreibtischplatz 50cm im Quadrat umfasst oder halt den Esstisch im Durchgangszimmer; dass mein Schreibtischstuhl ein ausgesessener Kinderstuhl ist; dass ich für die Möglichkeit, mit relativ geringem Infektionsrisiko arbeiten zu können, auch gut mal für ein paar Stunden die Bauchlage auf dem Wohnzimmerteppich wähle, um den Rücken zu entlasten. Zwei tolle Kinder, die erstaunlich diszipliniert mit der neuen Unterrichtssituation umgehen und auch so langsam begreifen, dass Vollzeithomeoffice etwas anderes als Wochenende ist.
Die freiere Arbeitszeiteinteilung und die entfallende Pendelzeit ermöglichen mir eine vermisste Aktivität: 45 Minuten am Tag gehören mir allein – ab in den Wald und genießen, dass der ganze Waldboden blüht, dass die Blätter sprießen, die Sonne scheint. Soviel Bewegungsausgleich habe ich sonst nie. Aber er ist auch nötiger. Denn zuhause bewege ich mich um Längen weniger als auf unserem langen Büroflur. Aber es gibt auch mehr Zeit mit den Kindern: mehr gemeinsame Mahlzeiten mit mehr Gesprächen, gemeinsames Experimentieren in der Küche, mehr Zeit zum Spielen oder gemeinsam Filme schauen, weil im Moment alle etwas länger schlafen können.
Dinge, über die ich mich trotzdem freue
Ich bewundere den Online-Musikschulunterricht, den die Lehrkräfte auf die Füße stellen und damit Freizeit und Übung aufrechterhalten oder die technischen Tutorials von Sporttrainern. Ich freue mich an der super organisierten Schule meines Sohnes und an der jetzt weiterhin gepflegten Schüler*innen-Lehrer*innen-Beziehung.
Immer wieder stelle ich mir vor, wie das gewesen wäre, wenn ich mich diese Situation vor 35 Jahren hätte stellen müssen: ohne Socialmedia und Internet. Und das erste, was mir einfällt, ist die Tatsache, dass meine Mutter noch ein unermessliches Repertoire an materialarmen Freizeitideen im Kopf gehabt hätte. Und ihre Fähigkeit, aus dem Garten leben zu können. Tausend Kochideen für einfach schmackhafte Rezepte im Kopf zu haben. Ich werde mir des besonderen Reichtums der Generation Frauen vor mir gerade sehr demütig bewusst.
Gemeinsam wollen wir bewusst erleben, was uns trägt und ermutigt, was Lebensfreude erhält. Wir wollen dankbar sein und Leben teilen – einander zum Segen werden. Gemeinsam wollen wir füreinander einstehen, wahrnehmen, was belastet, ängstigt, sorgt. Wir wollen füreinander bitten – einander im Gebet stützen.
Foto: pixabay, Public Domain
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