“Kindgemäß beten – aber nicht kindisch”

Beten mit Kindern – wie geht das eigentlich? Die Theologin und Autorin Andrea Langenbacher hat unsere Fragen zu ihrem neuen Buch beantwortet.

Frau Langenbacher, Ihr Buch trägt den Titel „Das Große im Kleinen: Beten mit Kindern“. Was ist mit dem Großen im Kleinen gemeint?

Ich denke, beten mit Kindern, beten in der Familie ist zwar etwas Wichtiges und Bedeutsames, aber es soll keine „große Sache“ sein. Nichts, was zusätzlich zum turbulenten und herausfordernden Familienalltag noch Stress macht. Es sind die kleinen Gesten und Rituale, die uns in Berührung bringen mit dem großen Ganzen: ein segnendes Kreuzzeichen, bevor die Kinder am Morgen das Haus verlassen, ein gemeinsames Innehalten vor dem Essen oder abends am Bett.

Und ich denke bei dem „Großen im Kleinen“ auch daran, dass Kinder ja Meister und Meisterinnen darin sind, das Große und Wunderbare in den Kleinigkeiten zu entdecken, über die wir Erwachsene oft einfach hinwegsehen. Insofern ist beten mit Kindern keine Einbahnstraße in dem Sinne, dass wir Erwachsenen den Kindern beibringen zu beten oder so was. Wir dürfen uns genauso von unseren Kindern an die Hand nehmen lassen, uns gemeinsam auf den Weg machen. Beten hat für mich viel mit Staunen zu tun – und das können Kinder in der Regel sehr viel besser als Erwachsene.

Zu welchem Gott sprechen Sie, wenn Sie mit Kindern beten? 

Mir persönlich ist es vor allem wichtig zu vermitteln, dass Gott bei all den Bildern, die wir vom Göttlichen haben, unvorstellbar bleibt. Dass das Göttliche über unsere Vorstellungskraft hinausreicht. Es gibt da ein wunderbares Buch, das heißt „Wie siehst du aus, lieber Gott?“ Da werden ganz viele verschiedene Aspekte des Göttlichen in kindgerechter Sprache thematisiert. Einen Satz aus dem Vorwort habe ich auch in meinem Buch zitiert, weil mir dieser Gedanke so gut gefällt: dass wir mit Kindern „gemeinsam an dem großen Bild des unendlichen Gottes weitermalen“ können.

Und noch was finde ich wichtig: dass wir uns als Eltern nicht verbiegen und nicht denken, wir müssten unseren Kindern dies oder jenes vermitteln oder dürften unsere Zweifel nicht thematisieren. Kinder haben ja ein sehr feines Gespür dafür, was authentisch ist und was nicht.

Kurz und bündig: Wie geht Beten mit Kindern? Welche Rolle spielt es im Familienalltag? 

Ich weiß nicht, ob ich das kurz und bündig sagen kann! Für mich ist beten ein Beziehungs-Geschehen: zwischen mir und dem Göttlichen, und wenn Eltern mit Kindern beten auch zwischen Eltern und Kindern. Das ist was Persönliches, da muss jede Familie auch ihren eigenen Weg finden.

Aber auf ein paar Eckpfeiler oder Orientierungspunkte weise ich in meinem Buch dennoch hin:

Wenn wir als Christinnen und Christen beten, stehen wir auf den Schultern einer Tradition, wir reihen uns ein in einen jahrhundertealten Strom der Beterinnen und Beter. Wir dürfen diese Tradition nutzen, aber wir dürfen auch unsere eigene Sprache finden. Kinder ernst zu nehmen, finde ich einen ganz wichtigen Aspekt. Da hat vor allem Jörg Zink sehr eindringlich darauf hingewiesen. Es geht darum, kindgemäß zu beten, aber nicht kindisch. Kinder brauchen Gedanken, in die sie „hineinwachsen“ und sie brauchen Gebete und Rituale, mit denen sie groß werden können.

Weil Kinder ganz viel über die sinnliche Wahrnehmung begreifen, liegt es nahe, auch beim Beten sinnliche Erfahrungen zu schaffen und es nicht einfach bei Worten zu belassen. Eine Kerze anzünden, kleine Kinder beim Beten auf den Schoß nehmen, ihnen am Abend mit einem fein duftenden Öl ein Kreuzchen auf den Stirn oder in die Hände zeichnen usw. Es sind vielleicht diese Kleinigkeiten, die sich bei unseren Kindern verankern.

Haben Sie einen Tipp, wie man mit kindlichen Zweifeln am „guten Gott“ umgehen kann?

Ich hatte es ja vorhin schon angedeutet: Der Zweifel sollte auf keinen Fall ausgeklammert werden. Der eigene nicht und auch nicht die Fragen der Kinder. Wir glauben an einen guten Gott und sehen so viel Ungutes in der Welt – diese Spannung treibt die Menschheit ja schon lange um. Warum sollte es bei Kindern anders sein?

Grundsätzlich würde ich sagen, es ist vor allem wichtig, den Zweifel erst einmal zu akzeptieren und ernst zu nehmen. Und an sich selbst nicht den Anspruch zu haben, ihn „wegerklären“ zu müssen.

Und noch was – das ist zwar keine direkte Antwort auf ihre Frage, hat aber viel damit zu tun. Ich finde es total wichtig, darauf zu achten, wie wir als Eltern mit den Kindern beten. Ob unsere Worte Gott zur „Wunscherfüllungsmaschine“ machen oder ob wir Gott im Gebet unsere Sorgen und Ängste hinhalten. Also beispielsweise: Beten wir „Lieber Gott, bitte mach, dass Oma wieder gesund wird“ oder versuchen wir diesen – berechtigten – Wunsch in andere Worte zu übersetzen, die Raum lassen: „Wir machen uns Sorgen um Oma, die sehr krank ist. Bitte bleib bei ihr und pass auf sie auf …“?

Frau Langenbacher, danke für Ihre Antworten!

Angaben zum Titel

von Andrea Langenbacher

Titel: Das Große im Kleinen (Beten mit Kindern)

Verlag: Gütersloher Verlagshaus
Erscheinungstermin: 23. August 2021
Paperback , Broschur, 128 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-579-07167-1

10,00 [D] inkl. MwSt.

Verlag und Quelle für Bild, Autorenbeschreibung sowie Klappentext: Gütersloher Verlagshaus

Andrea Langenbacher hat katholische Theologie sowie Ökonomie und Management studiert und danach langjährige Erfahrungen im Verlag als Lektorin und Programmleiterin gesammelt. Heute arbeitet sie als selbstständige Redakteurin, Autorin und Texterin. Sie lebt mit ihrer Familie in Tübingen.

Klappentext

Frische Ideen für das Beten mit Kindern

Beten mit Kindern ist wie das Familienleben selbst: bunt, herausfordernd, leise, laut und voller Überraschungen. Es bereichert das Familienleben, weil es etwas hereinlässt, was größer ist als wir selbst; was wichtiger ist als ein umgekipptes Saftglas, Hausarbeit und Hausaufgaben; das, was uns zwischen voller Mailbox und vollen Wäschekörben wirklich ausmacht.

Andrea Langenbacher lädt mit diesem Buch ein, das Große im Kleinen zu entdecken und das Beten in der Familie neu zu entdecken. Sie stellt Ideen vor, wie man mit Kindern so beten kann, dass es authentisch, lebendig und wohltuend ist und Kindern einen Weg bereitet, auch dann betende Menschen sein zu können, wenn die Eltern nicht mehr bei ihnen an der Bettkante sitzen.

 

Beitragsfoto Blog: Andrea Langenbacher

Mirjam Hübner
Mirjam Hübner
mirjam.huebner@online.de

Mirjam Hübner ist Diplom-Journalistin und Kommunikationstrainerin. Sie berät die Evangelischen Frauen in Württemberg in Fragen der Online-Kommunikation und der Pressearbeit. In ihrer Freizeit wandert und liest sie gerne – am liebsten mehrere Bücher gleichzeitig.

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