“Die Pandemie hatte bisher unterschiedliche Auswirkungen auf Paare und Familien”

Lebens- und Eheberatung in Zeiten von Corona: Im Gespräch mit Dorothee Wolf, Diplom-Psychologin und Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle der Evangelischen Kirche in Stuttgart.

Frau Wolf, wie hat sich die Arbeit in der Beratungsstelle seit Beginn der Pandemie verändert?

Im ersten Lockdown im Frühjahr des vergangenen Jahres nutzten viele Ratsuchende das Angebot der Telefon- oder Videoberatung und die Möglichkeit der Krisenintervention per Telefon. Ab Anfang Mai  konnten wir wieder auf unser originäres Angebot der „face-to-face“-Beratung umsteigen. Um das möglich zu machen, haben wir ein umfassendes Hygienekonzept entwickelt. Unter anderem gibt es eine Maskenpflicht während der Gespräche. Daneben bieten wir weiterhin die Beratung per Telefon, Video oder Internet an. Wir haben aber festgestellt, dass den Menschen der direkte Kontakt wichtig ist: Seit dem zweiten Lockdown im Dezember 2020 blieb die Nachfrage nach „face-to-face“-Beratung gleichbleibend hoch.

Stellen Sie Unterschiede zwischen dem ersten und dem zweiten Lockdown fest?

Zu Beginn der Pandemie erlebten wir vielfach große Verunsicherung. Einige Familien und Alleinerziehende waren mit der Situation der Kita- und Schulschließungen inklusive Homeoffice oder drohendem Arbeitsplatzverlust überfordert. Strategien, die üblicherweise bei Depressionen oder Ängsten hilfreich sind, fielen zum Teil weg. Wir entwickelten daraufhin alternative Bewältigungsstrategien mit den Betroffenen oder deren Angehörigen und standen in der Zeit der Erprobung für Gespräche zur Verfügung. Andere Klienten wiederum empfanden die Situation als Chance, sich als Familie oder Paar wiederzufinden.

Nach einem hoffnungsvollen, fast „normalen“ Sommer kamen erneut Beschränkungen. Viele Ratsuchende berichteten von Antriebslosigkeit, Müdigkeit und Schwierigkeiten in der Strukturierung ihres Alltags. Besonders junge Erwachsene waren und sind betroffen, weil sie ihre Ausbildungspläne nicht umsetzen konnten und ihre Vorhaben aufgeben mussten. Die Isolation ist angestiegen.

Mit welchen Anliegen kommen Paare zu Ihnen in die Beratung?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Anliegen unserer Ratsuchenden sind so vielfältig wie das Leben selbst. Dennoch gibt es natürlich Themen, die immer wieder auftauchen. Im Rahmen der Paarberatung zählen dazu vor allem „ein Auseinanderleben“, „Kommunikationsprobleme“, „Eskalierendes Streitverhalten“ oder die Unsicherheit bezüglich einer Trennung.

Die Herausforderungen der Corona-Pandemie hatten unterschiedliche Auswirkungen auf Paare und Familien. Manchmal wurden bestehende Schwierigkeiten noch verschärft, z.B. durch die plötzlich auftretende räumliche Nähe. Es gibt aber auch Fälle, in denen positive Veränderungen möglich wurden. So berichtete uns ein Vater zweier schulpflichtiger Kinder über die glückliche Zeit im ersten Lockdown. Er beschreibt, dass sich die Familienmitglieder emotional viel näher gekommen seien und die freie Zeit durch fehlende Verpflichtungen als Geschenk empfunden hätten.

Welche Tipps haben Sie für Paare oder Familien in der Krise?

An dieser Stelle verweise ich gerne auf das Video-Format „Psychologie für zu Hause“, in dem es um Gefühle und Beziehungen und den Umgang damit geht. Psychologin Susanne Bakaus von der Landesstelle der psychologischen Beratungsstellen in der Landeskirche in Württemberg gibt hier hilfreiche Tipps, z.B. zum Thema: „Spaltet Covid unsere Familie?“, „Distanz in Zeiten von Corona“ oder „Wenn mich Alkohol beruhigt“.

 

Frau Wolf, danke für den interessanten Einblick in Ihre Arbeit!

Mirjam Hübner
Mirjam Hübner
mirjam.huebner@online.de

Mirjam Hübner ist Diplom-Journalistin und Kommunikationstrainerin. Sie berät die Evangelischen Frauen in Württemberg in Fragen der Online-Kommunikation und der Pressearbeit. In ihrer Freizeit wandert und liest sie gerne – am liebsten mehrere Bücher gleichzeitig.

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