Tag der deutschen Einheit: Bleiben wir sprachfähig! Bleiben wir streitbar!

Wir feiern! Vor 30 Jahren, am 03. Oktober 1990 wurde offiziell die deutsche Wiedervereinigung mit dem Beitritt der DDR zur BRD „vollendet“.
Soweit die Theorie.  Aber was heißt Einheit? Und was hieß Einheit vor 30 Jahren?

Zunächst die offensichtlichen Veränderungen, die schönen Dinge: Menschen konnten wieder ungehindert über ehemalige Grenzen zwischen Ost- und Westdeutschland reisen, sie konnten wieder ungehindert Verwandte, Freunde und teilweise sogar enge Familienmitglieder treffen, die sie davor lange Jahre nicht oder kaum sehen durften und konnten, Westprodukte waren nun auch in Ostdeutschland erhältlich und andersherum. Darüber herrschte auch große Freude und Euphorie.

Natürlich veränderte sich auch sonst viel: ein ganzes Staatssystem musste umgestellt werden, ein sozialistisches Wirtschaftssystem wurde auf soziale Marktwirtschaft umgestellt. Für viele Menschen aus Ostdeutschland bedeutete das auch: Jobverlust, Verlust des bisherigen Lebensstandards und Verlust auch vieler während der Zeit des Sozialismus erworbenen Werte. Einheit bedeutete also auch, was nicht passte, zurückzulassen. Einheit war auch für einen Teil der deutschen Bevölkerung eine Verlusterfahrung. Das dürfen wir bei allem Feiern nicht vergessen.

Und heute? Sind „wir Deutschen“ eine Einheit? Im Sinne dessen, dass sich immer weniger Menschen als Ost- oder Westdeutsche definieren, ist die Wiedervereinigung, die Wiederherstellung einer deutschen Einheit sicher gelungen. Dennoch, „wir Deutschen“ sind keine homogene Gruppe, ich möchte gerne sagen: zum Glück! Denn es ist wichtig, dass wir Einheit nicht verwechseln mit Einigkeit oder gar Gleichheit. Für eine funktionierende, demokratische Einheit brauchen wir Debatten, Diskussionen und Streitgespräche. Wir sind unterschiedlich, denken verschieden und das ist bereichernd und gut so, Nur: wenn wir uns nicht mehr genug als Gemeinschaft verstehen, um miteinander zu sprechen, dann ist unsere erkämpfte und sich lange entwickelnde Einheit bedroht.

Unsere Sprachfähigkeit ist tatsächlich weniger ausgeprägt. Populistische Aussagen machen konstruktive Debatten häufig unmöglich. Das immer wieder aufgebaute Bild – nicht nur von Populisten – vom „Wir“ gegen „Die“ zerstört Gemeinschaft.
Zum Tag der Deutschen Einheit wünsche ich mir deshalb: bleiben wir sprachfähig! Bleiben wir streitbar! Wir als Frauen in Kirche und Gesellschaft haben schon oft gezeigt, was wir bewegen können. Also lassen Sie uns mit Debatten, Gesprächen und Anstößen dazu beitragen, dass wir unsere Deutsche Einheit und Gemeinschaft weiter feiern können!

Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay.

Saskia Ulmer
Saskia Ulmer
saskia.ulmer@elk-wue.de

Saskia Ulmer ist Landesreferentin bei den EFW und zuständig für den Bereich Kirche und Gesellschaft. In Ihrer Freizeit, sofern sie diese nicht mit ihren zwei Kindern und ihrem Mann verbringt, ist sie gerne sportlich aktiv. Dabei genießt Saskia Ulmer es, sowohl in der Natur Kraft zu tanken als auch in einem Teamsport Gemeinschaft und Spaß zu erleben.

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