Über eine Gotteshausverwirrung zum Schuljahresende

… und warum die Unschuldsvermutung zum Glück auch in unserer Familie gilt. Im Zweifel für den Angeklagten!

Donnerstagabend, zuhause. Wie stets besprechen wir Ablauf und Termine für das Morgen. Am nächsten Tag ist das Schuljahr vorüber, endlich Sommerpause! Ich habe drei Söhne auf drei Schulen – und der letzte Schultag hält dieses Mal so manche Herausforderung für mich bereit.

Meine Kinder wissen, dass für mich der Gottesdienst zum Kindergartenjahres- oder Schuljahresende dazu gehört. Und damit meine ich, dass die Teilnahme meiner Kinder (für mich) selbstverständlich ist. Meine eigene allerdings auch; in all‘ den Jahren habe ich es immer eingerichtet, irgendwo dabei zu sein, möglichst gerecht verteilt zwischen den Söhnen und ihren jeweiligen Aufbewahrungsorten natürlich.
Dieses Jahr nun entfällt bei meinem großen Sohn, 10. Klasse, erstmals die Anwesenheitspflicht für diesen Gottesdienst. Ich sehe mich also dem Argument gegenüber: „Mama, ich schau‘ mal, wann ich aufwache, ob es mir dann noch reicht.“ Müde der Diskussion, lasse ich das durchgehen. Anmerkung: Es reichte nicht.

Mein jüngster Sohn hat keine Wahl, in der 5. Klasse besteht noch besagte Anwesenheitspflicht. Er wird später nach Hause kommen und fröhlich von dem schönsten Gottesdienst „ever“ erzählen und noch dazu in der katholischen Kirche. „Aber, Mama, der Pfarrer war ja gar nicht dabei. Alles haben die Schüler gemacht.“

Bleibt noch mein Mittelsohn, 8. Klasse. Er weigert sich – will trotz Schulpflicht nicht hingehen. Ich atme tief durch, suche Pluspunkte für mein Ziel und artikuliere diese. Das was zählt ist jedoch die einfache Tatsache, dass Schwänzen nicht straffrei bleibt. Meine Entscheidung fällt; ich weiß nun, welche Kirche ich besuchen werde, um das Schuljahr zu verabschieden. Mein Mittelsohn ist überhaupt nicht einverstanden. Und ich ahne, dass ich eine gewisse Kontrollfunktion auszuüben habe.

So kommt das Morgen. Ich bin spät, mein Sohn drängt zum Aufbruch. Er will pünktlich sein. Darum schicke ich ihn schon los, mit dem Rad hole ich ihn ja schnell ein, denke ich. An der Kirche angekommen, werde ich unruhig, fehlt mir doch die Begegnung mit meinem Sohn; er hatte nur zwei Minuten Vorsprung! Kurzum: Ich finde ihn nicht und er erscheint auch später nicht in der Kirche. So verpasst er einen kurzen, knackigen, besonderen Gottesdienst ebenso wie die Geschichte von der kleinen Schraube, die sich locker macht und dann zur Gefahr für das ganze Boot wird. Die Geschichte von der kleinen Schraube, die – unterstützt von den anderen Schrauben – zurückkehrt an ihren Platz und in der Gemeinschaft das Boot mitträgt.

Ich will mir keine Sorgen machen. Ich werde wütend. Denke, jetzt hat er die Chance genutzt, die sich so unerwartet ergab, und schwänzt. Hat der Kerl mich echt hintergangen! Im Büro angekommen, kläre ich mit der Schule, ob und dass er dort aufgetaucht ist. Gut. Nun doch erleichtert versenke mich am Schreibtisch in meine Arbeit, das befreit. Später verlasse ich meinen Arbeitsplatz mit dem festen Vorsatz, mir zunächst mein Kind anzuschauen und mir seine Begründung anzuhören, bevor ich platze. Die Sache mit der Unschuldsvermutung fällt mir schwer, also atme ich beim Radeln tief durch und meditiere den Satz: „Im Zweifel für den Angeklagten.“

Tja, die Auflösung ist ganz einfach: Mein Junior hat seine Kirche nicht gefunden! Fast muss ich lachen, so simpel ist die Erklärung und so ehrlich kommt sie bei mir an. Mein Sohn wird beim Erzählen ganz rot, er schämt sich sichtlich. Erst als ich ihm deutlich mache, dass in der besagten Kirche vor Kurzem sein Bruder getauft wurde, sehe ich, wie das Begreifen in seinem Gesicht Einzug hält. Jetzt weiß er wieder, wo er hätte hingehen müssen. Augen und Ohren sprechen Bände! Stattdessen wanderte er durch den ganzen Ort, besuchte alle Kirchen, die ihm einfielen. Leider hieß keine so wie die eine, die er suchte… Seine persönliche Gotteshausverwirrung zum Schuljahresende also.

Wir haben inzwischen eine Radtour gemacht und unsere Kirchen alle fotografiert. Dabei überprüften wir ihre Namen und warfen auch gleich noch einen Blick hinein, sofern möglich. Und: Meinem Sohn fielen immer wieder kleinere Erlebnisse ein, die ihn mit jedem Gotteshaus verbinden. Jetzt hat er sich sortiert und unsere Kirchen auf seinem inneren Stadtplan eingezeichnet. Den Gottesdienst hat er leider trotzdem verpasst, darum habe ich meinen Jungs die Geschichte von der kleinen Schraube eben selbst erzählt und sie gleich noch ein wenig ausgeschmückt…

K Fechner
Kathrin Fechner
fressbefreit@gmail.com

Kathrin Fechner ist Rheinländerin in Stuttgart, außerdem leidenschaftliche Schreiberin zu vielen Themen, die sich insbesondere aus ihrem turbulenten Familienleben mit 3 pubertierenden Söhnen, ihrer Sportbegeisterung und ihrer persönlichen Gesundheitsbiografie ergeben. Kathrin leistet glücklich Hintergrundarbeit im kirchlichen Dienst.

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