26 Mrz Hilfe oder Hindernis? Unterschiedliche Wege aus der Prostitution
Bei der letzten Sitzung der Landessynode fiel der Entschluss, sich dem Bündnis „Rotlicht aus“ anzuschließen.
Ein guter Entschluss, ein wichtiges Signal, ein Schritt in die richtige Richtung gerade für uns als Kirche – oder?
Das Bündnis “Rotlicht aus” setzt sich ein für ein Verbot der Prostitution. Klar formuliert wird hier, dass Prostitution Gewalt ist, dass sie Unterdrückung ist und eben nicht als normaler „Job“ gesehen werden kann! Wer eine Prostituierte für den Sex bezahlt, degradiert den Körper einer Frau zur Ware. Wenn „Extras“ einfach nur ein wenig „extra“ kostet, geben Menschen für Geld ihre menschliche Würde auf – aus meiner Sicht übrigens noch stärker der Freier als die Prostituierte. Wer sich prostituiert, hat meist schwerwiegende Gründe dafür, dass sie (oder manchmal auch er) diesen Weg geht. Wer aber dafür bezahlt, dass einfach nur die eigene Geilheit befriedigt wird, handelt würdelos.
Die Lösung dafür ist laut dem Bündnis „Rotlicht aus“ das Verbot der Prostitution.
Hier protestieren viele Beratungsstellen, die für und mit Prostituierten und Aussteigerinnen arbeiten: ein Prostitutionsverbot hätte auch viele unbeabsichtigte Folgen. Für die Ausstiegsberatung ist es elementar, dass BeraterInnen ungehindert Zugang zu den Frauen haben und auch in Bordellen nicht als Bedrohung, sondern als Helfende wahrgenommen werden. Heute kommt es durchaus vor, dass BordellbetreiberInnen Beraterinnen anrufen, wenn eine der Prostituierten krank ist. Das ist natürlich undenkbar, wenn Prostitution illegal werden würde. Ein weiterer negativer Effekt: illegal findet Prostitution ohne jeden „Schutz“ der Prostituierten statt. Die Frauen (und Männer) arbeiten im Verborgenen, eventuell zuhause oder wieder vermehrt in der Straßenprostitution. Ein Verbot der Prostitution beendet leider nicht die Prostitution, es verlagert die Prostitution an andere Orte. Und wenn meine Vergangenheit als Prostituierte heute schon stigmatisierend wirkt und mir kaum ein Weg zurück in die „Normalität“ offensteht, so wird das mit einem Prostitutionsverbot erneut verschärft.
Zwei Positionen, zwei Haltungen, aber beide Seiten versuchen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste für stark gefährdete Frauen in einer stark belastenden Arbeitssituation zu tun.
Welchen Weg fände ich selbst denn vorstellbar? Klar ist, ignorieren dürfen wir diese Frauen aber auch Männer nicht. Wer aus wirtschaftlicher Not, psychischem Elend oder gar Menschenhandel und Zwangsprostitution in der Prostitution gelandet ist, für diese Menschen müssen wir da sein – als Kirche, als Gesellschaft und als einzelne, nachfragende Person.
Wünschenswert finde ich am Ende, dass wir Prostitution nicht weiter verharmlosen als „das älteste Gewerbe der Welt“, welches einfach immer existieren wird. Dass wir unseren Kindern und heranwachsenden Männern nicht vermitteln, Sex für Geld zu erwerben sei in Ordnung. Dass wir Prostitution so anschauen, dass die Freier als „widerlich“ und „ekelhaft“ angesehen werden, wir aber die Prostituierten selbst nicht verunglimpfen und stigmatisieren.
Eine gute Variante finde ich da als Beispiel die Kampagne #Ich bin kein Freier.
Wir hören auf, die Frauen in der Prostitution zu stigmatisieren und schauen auf die, die Verursacher des „Systems“ Prostitution sind. Ein sehr guter Schritt, finde ich, denn: wenn sich als Gesellschaft unsere Haltung gegenüber denjenigen, die für Sex bezahlen ändert, dann haben wir eine Chance, dass Prostitution allmählich zur absoluten „Ausnahme“ wird statt „Normalität“ zu sein. Wenn ein Jugendlicher erzählt, ich war gestern das erste Mal im Bordell und die Freunde es widerwärtig und würdelos finden statt cool, dann haben wir eine echte Chance auf Veränderung.
Setzen wir an: mit guten Kampagnen, mit Aufklärungsarbeit, mit Rollenspielen in Schulen etc. Wir müssen die Wahrnehmung und Realität in den Köpfen ändern, nur dann wird sich auch unsere Welt verändern.
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