Trefft Euch im echten Leben – ein Interview mit Bärbel Haug

Liebe Bärbel, ich habe dich in vielen verschiedenen Formaten in der Arbeit mit Frauen erlebt. Erzähl uns doch von deiner Arbeit.

Angefangen hat es bei mir 1982 in meiner Beurlaubungszeit als Lehrerin; ich war in der Kinderpause, habe eine Mutter-Kind-Gruppe gegründet und abendliche Treffen von Frauen organisiert. Ich wurde dann für die Mutter-Kind-Arbeit in Schorndorf ins Bezirksteam gewählt. Als dort nach einigen Jahren die Leiterin, die sehr viel umgetrieben hat, in den Ruhestand ging und es weiterhin sehr viel Arbeit gab, wurde ich mit 50 % im Kirchenbezirk für die Frauenarbeit angestellt. Das war damals nach dem Lehrermodell möglich. Ich war zuständig für die Weiterbildung von Frauenkreisleiterinnen, für die Organisation von Nachbarschaftstreffen, für Bezirksfrauentage, den Weltgebetstag und die Eltern-Kind-Arbeit. Die Konzeption der Eltern-Kind-Arbeit haben wir zusammen mit dem Evangelischen Kreisbildungswerk und dem katholischen Frauenbund als Modell entwickelt; das wurde dann auf Landesebene übernommen.

1995 wurde ich in den Landesarbeitskreis des Frauenwerks gewählt; von 1998 bis 2001 war ich Vorsitzende vom Frauenwerk. Nach der Fusion von Frauenwerk und Frauenarbeit war ich im Vorstand von EFW von 2006 – 2010.

Was war dir in der Arbeit mit Frauen wichtig?

Vor allem hab ich die Art des Arbeitens, das Arbeiten im Team hier erst wertschätzen gelernt. Als ich später an einem Kurs für wiedereinsteigende Lehrerinnen teilnahm, war ich verblüfft, dass Teamarbeit auf einmal hochgehalten wurde und Veränderungen im Schulbereich in Gang kamen. Ich konnte dann im Schulbereich alles sehr gut gebrauchen, die Teamarbeit und das gemeinsame Erarbeiten von Themen. Den Austausch und die besondere Atmosphäre, die da ist, wenn Frauen zusammen sind, das alles habe ich sehr schätzen gelernt.

Was hat dir besonders Freude bereitet?

Frauenwanderungen (Gudrun: aha, da gibt es ja jetzt aktuell für den WGT 2021 Wandern mit Vanuatu). Angefangen hat das 1992 mit dem Jakobsweg, da gab es noch fast keine ausgewiesenen Wege; ich habe sie selber gelegt, anhand von Jakobskirchen und einer Wanderkarte. Später, im Kirchenbezirk Schwäbisch Hall, habe ich dann Wanderungen gemeinsam mit Frauen aus dem Partnerschafts-Kirchenkreis Weimar begonnen. Das gibt es ja selten, dass Frauen aus dem Osten und Frauen aus dem Westen gemeinsam unterwegs sein können. Das war wirklich eine bewegende Erfahrung. Zum Beispiel: 2009 war ich beim ersten Mitteldeutschen Kirchentag in Weimar, zum Gedenken an die friedliche Revolution 1989. Dort wurde mir eine Kerze in die Hand gedrückt, die sollte ich mit einer Botschaft in den Partnerbezirk bringen. Das war sehr bewegend. Die Botschaft sagte:

  1. militärische Gewalt schafft keinen Frieden,
  2. die Armut in der Welt ist gegen Gottes Plan mit uns Menschen,
  3. Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sind mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar – man muss sich das vorstellen, das war 2009! –
  4. – genauso aktuell – Die Schöpfung Gottes wird durch die Menschen stark verändert und ist gefährdet. Klimaveränderung, sowie die Gefahren der friedlichen und militärischen Nutzung der Atomkraft zeigen uns, dass hier Umkehr nötig ist.

Diese Botschaft sollte mit der Kerze vom mitteldeutschen Kirchentag in den Partnerkirchenbezirk und hier in den einzelnen Kirchengemeinden weiterwandern. Ich stelle fest, dass diese Botschaft heute aktueller denn je ist.

Welchen Herausforderungen musstest du dich stellen?

In der Zeit, als ich Vorsitzende war, ging es schon heiß her. Die vielen Papiere aus der Gänsheide, die Strukturveränderungen, die Fusion von Frauenarbeit und Frauenwerk waren nicht immer eine gute Geschichte. Es wurde auch von den „wilden Frauen im Remstal“ gesprochen. Ja, es war schon eine Herausforderung, die Fusion so hinzukriegen, dass sie auch in den Gemeinden vertreten werden konnte und Ängste dort genommen werden konnten. Es war nicht einfach, denn der Vorsitz verlangte mir wöchentlich 20 ehrenamtliche Stunden ab. Irgendwie nebenher war ich noch Mutter von 3 Kindern, Lehrerin, Pfarrfrau.

Welche Herausforderungen siehst du heute?

Manche Anliegen der Umstrukturierung sehe ich noch nicht ganz umgesetzt. So ist die Sichtweise für die Bedeutung der Arbeit der Frauen in den Gemeinden noch nicht in allen Bezirken angekommen. So haben wir schon damals dafür gekämpft, dass in den Bezirken Frauen aus der Gemeindearbeit Sitz und Stimme in der Bezirkssynode haben.

Frauen werden heute immer noch nicht auf allen Ebenen gleich behandelt und in der Kirche auch nicht. Heute haben Frauen viel weniger kirchliche Anbindung, alles ist viel säkularer.

Ich mache gerade mit bei der evangelischen Bildung bei einem Projekt „Digitale Elternberatung“. Das Haus der Familie in Reutlingen ist eines der ersten, die das anbieten, weil sie gemerkt haben, dass Frauen weniger zu Beratungen und Kursen gehen, sondern dass man sie besser per Mail erreicht. Das ist sicher wichtig, aber ich finde es schon heftig, denn es heißt ja, Menschen sitzen alleine zu Hause. Gerade auch im ländlichen Raum sind Frauen oft sehr einsam. Sie sind zwar vernetzt, digital in irgendwelchen sozialen Medien unterwegs, aber real zu Hause allein gelassen.

Das wäre auch das, was ich ihnen sagen wollte: „Trefft euch, live, real!“ Und ich merke, dass das auch ein Bedürfnis ist, sonst wären diese Frauenwanderungen nicht immer ausgebucht. Unterwegs sein, abschalten zu können, in der Natur zu sein, in Gemeinschaft unterwegs zu sein. Und ich habe festgestellt, dass sie unglaublich viele Erziehungsfragen haben und Unterstützung brauchen in der Erziehungsphase. Es fehlt das Eingebunden sein in eine Gruppierung oder in ein Stadtviertel.

Was würdest du heute Frauen mit auf den Weg geben?

„Trefft euch mit Lust!“

Das Festjahr 100 Jahre Evangelische Frauen in Württemberg geht zu Ende. Unser Thema war „Gewoben in Gottes Geschichte“. Wie würdest du das Thema auf dich beziehen? Was assoziierst du mit dem Motto?

Also „gewoben in Gottes Geschichte“– Frauen weben – ich war längere Zeit in Peru, da denke ich an die Frauen mit den einfachen Webstühlen und ihren farbenfrohen Produkten. Und auch bei uns hat man sich früher getroffen in den Lichtstuben, zum Handarbeiten und natürlich zu Gesprächen. Mit Fäden aller Art hatten Frauen immer zu tun, das finde ich sehr schön.

Andererseits hab ich gedacht, „gewoben“ ist sehr passiv, ich werde reingewoben in etwas. Und eigentlich bin ich ja schon lieber eine, die kräftig mitwebt und nicht einfach in etwas reingewoben wird. Aber dann dachte ich, es hat ja auch schon was, mal einfach eingewoben zu sein, auch passiv zu sein; die meditativen Seiten, die ruhigen Zeiten im Leben sind ja auch wichtig. Ich bin im Freundeskreis Sonnenhof der Schwestern von Grandchamp. Ich brauche auch immer wieder die Ruhe oder Tage des Schweigens. Und ich kann dabei Kraft tanken, wenn ich dort bin. Deshalb finde ich auch durchaus, dass das Passive etwas hat.

Herzlichen Dank Bärbel, für alle deine Ausführungen über die langen Jahren deiner intensiven Arbeit mit Frauen und der Verbundenheit mit EFW. Spannend. Wir freuen uns schon, wenn du uns die Erfahrungen des neuesten Projekts, dem neuen Format – digitale Beratung und Frauenarbeit – berichten wirst. Alles Gute.

Das Interview führte Gudrun Keller-Fahlbusch am 19.2.2020

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Gurdun Keller-Fahlbusch
keller-fahlbusch@web.de

Gudrun Keller-Fahlbusch ist Diakonin und Präsidiumsmitglied bei den EFW. Sie war und ist vielfältig ehrenamtlich engagiert, insbesondere natürlich in der evangelischen Frauenarbeit. Besonders prägend waren für sie ihre Auslandsjahre in Gemeinden im Libanon und in der Türkei in Istanbul und Alanya an der Ostküste der Türkei. Hier wurde sie fest in die christliche Ökumene eingewoben.

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