Haben Sie noch welche? Alltagsmasken nähen bringt Begegungen

So heißt es seit einigen Wochen, wenn bei mir das Telefon oder die Haustür klingelt. Gemeint sind Mund-und-Nase-Schutzmasken, die zu tragen seit dieser Woche nun Pflicht ist. Inzwischen sind 350 Exemplare genäht, verschickt, verschenkt und für den Eigenbedarf.
Wie kam es dazu?
Eine meiner Töchter schickte einen Hilferuf der Klinik, in der sie tätig ist:
Keine Masken für das Personal und auf absehbare Zeit auch nicht zu beschaffen!!!
Nun hatte ich ja schon davon gehört, die Medien waren ja täglich voll davon gewesen – aber wenn es denn konkret wird, die eigene Tochter und ihre Leute betroffen sind…das ist dann doch noch was anderes…
Mama – kannst du nicht??? 50 Stück würden erst einmal reichen…

Ja – Mama konnte, und so verbrachte ich diesen Sonntag zwei Wochen vor Ostern mit Masken nähen, in trauter Zweisamkeit mit meinem Mann, ich an der Nähmaschine, er in der Endkontrolle.
Was für ein unvergesslicher Tag! Wie gut, dass das Wetter draußen absolut nicht zum Spaziergang einlud und so ein spannendes Hörspiel im Radio kam….
Tags darauf brachte ich eine Schachtel mit 50 fertigen Masken zur Post, die bei den Empfänger*innen großen Anklang fanden.
Danach hätte ich eigentlich aufhören können – aber irgendwie begann es mir großen Spaß zu machen und nebenbei tat es meinem doch recht umfänglichen Stofffundus auch gut, gesichtet, reduziert und einem sinnvollen Zweck zugeführt zu werden.
Ich nähte und nähte, verteilte sie im Dorfladen, in der Apotheke, in der Arztpraxen, im Seniorenheim.
Inzwischen hat es sich herum gesprochen, viele kamen und holten sich eine oder zwei der begehrten Artikel – mein Maskenvorrat ist fast vollständig verteilt und ich beende dieses Projekt jetzt.

Was bleibt?

• Viel Freude etwas Sinnvolles herzustellen, was obendrein nachhaltig ist
• einige leere Garnspulen und gebrochene Nadeln
• mehr Platz im Stoffschrank

aber, was das Wichtigste ist:

Begegnung in Zeiten der Kontaktbeschränkung!

Begegnung mit Menschen, die eigentlich nur einen Mundschutz holen wollten, aber ihre Masken fallen ließen, über ein lapidares „Wie geht’s?“ „Gut, danke, und Ihnen“ hinaus.
Die Frau, die ganz konkrete Angst vor dem finanziellen Ruin hat und nicht mehr weiß, was sie machen soll
Der Mann, dessen Mutter im Altenheim ist, und nicht weiß, warum er sie nicht besuchen kommt
die ältere Dame aus dem Kaffeestündle, deren Mann wenige Tage zuvor gestorben war und die seither noch niemand umarmt hatte…

Wertvolle Momente, in denen wir einander nah sein konnten, nicht mehr allein mit der Sorge, nicht mehr einsam – ein Gespräch lang wenigstens.
Mancher Kontakt besteht noch, ich frage nach, bete für jemanden.
Mich berührt das Vertrauen.

Menschen lassen ihre Masken fallen – natürlich gilt das auch im negativen Sinn: Verschwörungstheoretiker, Egoisten, Angstmacher – die haben auch Hochkonjunktur gerade in diesen Zeiten. Auch denen begegne ich. Und viele Stimmen um mich herum und in mir drinnen machen mich unsicher. Wem soll ich glauben? Hat nicht die Frau die mit weinerlicher Stimme und tiefer innerer Betroffenheit ihren offenen Brief an die Bundeskanzlerin via youtube vorträgt, in einigen Punkten recht, wenn sie die Verhältnismäßigkeit der Mittel anzweifelt?

Jetzt wäre Vertrauen angesagt:
Vertrauen in die Regierenden, die unsere gewählten Vertreter sind, dass sie ihre Maßnahmen nach bestem Wissen und Gewissen immer wieder prüfen, hinterfragen und verantwortungsvoll handeln
Vertrauen in die Läden, dass sie gute Hygienekonzepte haben und die Ansteckungsgefahr beherrschbar bleibt
Vertrauen in die Mitmenschen, dass sie sich selbst und andere schützen durch Abstand, Maske, Händewaschen.
Ich habe es nicht immer, dieses Vertrauen in meine Mitmenschen, und ich merke, wie dann die Angst Besitz von meinem Denken und Fühlen ergreift.

Da tut es dann gut, wenn ich vor Gott meine Maske fallen lassen, mein Vertrauen ganz auf ihn setzen kann. Es wird nichts geschehen, was er nicht weiß. Ich bin geborgen bei ihm, so wie es der Psalmbeter zum Ausdruck bringt.

Psalm 91
1 Wer in der Bergung Gottes in der Höhe wohnt, im Schatten der mächtigen Gottheit übernachtet,
2spricht zur Ewigen: Mein sicherer Ort und meine Burg,
meine Gottheit, auf die ich vertraue.
3 Gott zieht dich aus der Schlinge des Vogelfängers,
aus der tödlichen Pest.
4 Gottes Schwingen bedecken dich. Unter Gottes Flügeln birgst du dich.
Schild und Schutzmauer ist Gottes Verlässlichkeit
5 Du musst dich nicht fürchten vor dem Grauen der Nacht,
vor dem Pfeil, der am Tage fliegt,
6 vor der Pest, die in der Finsternis umherschleicht,
vor der Seuche, die am Mittag wütet.
7 Es fallen tausend zu deiner Seite
und zehntausend zu deiner Rechten – dir naht es nicht.
8 Mit eigenen Augen schaust du,
siehst, wie denen, die Unrecht tun, vergolten wird.
9 Ja, du, Ewige, mein sicherer Ort!
Du hast Gott in der Höhe zu deinem Obdach gemacht.
10 Kein Unheil wird dich treffen.
Leid wird sich deinem Zelt nicht nähern.
11 Gottes Engel haben den Auftrag,
dich auf allen deinen Wegen zu bewahren.
12 In der hohlen Hand tragen sie dich,
damit dein Fuß nicht an einen Stein stoße.
13 Über Löwe und Otter kannst du gehen,
kannst zertreten Junglöwe und Drache.
14 Ja, alle, die mir in Zuneigung zugetan sind,
werde ich entkommen lassen,
werde alle retten, die meinen Namen kennen.
15 Allen, die nach mir schreien, werde ich antworten.
Ich werde für sie da sein in der Bedrängnis.
Ich schnüre sie los und verleihe ihnen Würde.
16 Mit einem langen Leben will ich sie sättigen,
lasse sie sehen: Befreiung.

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Brigitte Zirngibl
Anke.Schiewek@elk-wue.de

Brigitte Zirngibl ist vielfältig in der Frauenarbeit aktiv. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Präsidiums der EFW. Hier im Blog schreibt sie über ihre Erfahrungen.

1 Kommentar
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    Anna Zett
    Veröffentlicht um 14:09h, 05 Mai Antworten

    Ich hoffe so sehr, dass wir nach dieser Zeit nicht das Abstandhalten so sehr verinnerlicht haben werden, dass wir noch weiter voneinander wegdriften. Diese kurzen solidarischen, menschlichen Momente, die Sie beschreiben, geben mir Hoffnung. Vielen Dank dafür!

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